Am
25.10.15 waren die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Tansania. Hierzu
habe ich euch beim letzten Eintrag schon auf Pauls Blog aufmerksam gemacht, den
ich auch jetzt noch einmal empfehle, sofern ihr gern mehr Infos haben möchtet.
Ich fasse
hier die Parteien und Kandidaten nur kurz zusammen und berichte dann von meinen
eigenen Beobachtungen und Erlebnissen.
Die
Wahlen:
Tansania
ist eine präsidiale Republik, d.h. die Macht geht vom Präsidenten aus, der auch
die Regierung bildet. Am Sonntag wurde nicht nur das Parlament vom Volk
gewählt, sondern auch der Präsident selbst.
Bei
dieser Wahl spielten vor allem zwei Parteien eine große Rolle: Auf der einen
Seite die CCM, die seit über 40 Jahren an der Macht ist und bisher immer die
absolute Mehrheit hatte. Für die CCM ist John Magufuli, der frühere
Arbeitsminister, als Präsidentschaftskandidat ins Rennen gegangen. Auf der
anderen Seite steht die Chadema-Partei, die sich mit mehreren kleineren
Parteien zum Oppositionsbündnis UKAWA zusammengeschlossen hat und nun gegen die
CCM antritt. Für UKAWA trat der frühere Premierminister Tansanias, Edward
Lowassa, zur Wahl an. Lowassa ist ein früheres Parteimitglied der CCM, ist aber
aus dieser ausgetreten, nachdem er nicht zum Präsidentschaftskandidaten
aufgestellt wurde. Natürlich gibt es noch mehr Parteien und
Präsidentschaftskandidaten, auf die ich allerdings nicht eingehen werde.
Das ungewöhnliche und dadurch
auch gefährliche an dieser Wahl ist, dass zum ersten Mal in der Geschichte
Tansanias die CCM „vom Thron gestoßen werden kann“. Und dann weiß eben keiner
was passiert, bzw. wie die CCM reagiert. Bleibt die CCM allerdings an der Macht
wird ihr auf jeden Fall Wahlbetrug von Seiten der Chadema vorgeworfen und auch
dann ist nicht abzusehen was passieren wird. Um dies entgegenzuwirken sind
schon seit einigen Wochen viele Wahlbeobachter der ganzen Welt in Tansania. Es
ist auf jeden Fall ein heikles Thema und keiner kann voraussagen, wie sich die
jeweiligen Parteien und ihre Anhänger verhalten werden. Man spürt eine gewisse
Unsicherheit in der Bevölkerung. Es ist auch unklar, wie lange es dauern wird,
bis das Ergebnis verkündet wird.Der Wahlkampf – wie ich ihn erlebt habe:
Schon Wochen vor der eigentlichen Wahl (und lange bevor ich angekommen bin) wurde Wahlkampf betrieben. In ganz Dar es Salaam hängen tausende von Wahlplakaten. An jedem Baum, an jeder Straßenlaterne oder ähnlichen Dingen wehen Fahnen der verschiedenen Parteien. Und da hängt dann nicht nur eine Fahne, sondern ganze „Fahnenketten“. Man kann sich das vielleicht ein bisschen wie an Fasching vorstellen, bzw. einfach tausende Girlanden mit Fahnen, welche die kompletten Straßen säumen. Zudem sind LKWs (mit offener Ladefläche) oder Autos, die jeweils komplett in der Parteifarbe geschmückt waren, mit Lautsprecher oder lauter Musik durch die Straßen gefahren. Teilweise wurden einfach kleine Reden vom Auto aus gehalten oder die Menschen auf der Ladefläche tanzten zur Musik. Mich hat das ein bisschen an einen Faschingsumzug erinnert, da alle Menschen in den jeweiligen Parteifarben „verkleidet“ waren und auf geschmückten LKWs mit lauter Musik durch die Straßen gezogen sind. Diese Karawanen haben auch immer wieder angehalten und dann einfach an Ort und Stelle eine Rede gehalten oder mit den Leuten an der Straße getanzt.
Die Präsidentschaftskandidaten sind in den Wochen vor der Wahl durch ganz Tansania gereist und haben vor riesigen Menschenmassen Reden gehalten. Diese wurden zumeist auch im Fernsehen oder im Radio übertragen. Gerade in der letzten Woche vor der Wahl gab es kaum einen Fernseh- bzw. Radiosender, der nicht eine Rede der Kandidaten übertragen hat.
Leider
sind im Vorfeld der Wahl auch einige Politiker ums Leben gekommen. Bei vielen
ist unklar ob es ein Unfall war oder sie absichtlich umgebracht wurden. Als wir
am Freitagabend vor der Wahl in einer Bar waren, wurden von allen Opfern Bilder
abgespielt. Hierzu wurde die Musik abgestellt und es wurde auch sehr ruhig.
Warnungen
bzw. unsere Vorbereitungen:
Im
Vorfeld gab es von unterschiedlichen Stellen immer wieder Warnungen und
Hinweise, wie man sich am Wahltag und den folgenden Tagen verhalten soll. So
warnt z. Bsp. das Auswärtige Amt von Auswirkungen auf den Flug-, Bahn- und
Busverkehr. Weiterhin kann es sein, dass der Strom für die komplette nächste
Woche ausgestellt wird und die Kommunikation per Handy ausfällt. Je nach dem
können einige Straßen in Dar gesperrt werden und der Hafen war gestern geschlossen.
Uns wurde
geraten einen Vorrat an Wasser für ca. eine Woche zu haben und einen kleinen
Vorrat an Essen zu kaufen, sofern die Läden geschlossen haben (damit sie nicht
ausgeraubt werden). Außerdem wurde jeder angehalten ab spätestens Sonntagmittag
zu Hause zu sein und dort auch zu bleiben. Einige Freiwillige werden die
nächsten Tage nicht arbeiten, da die Arbeitsstelle entweder geschlossen hat
oder der Weg dorthin als zu gefährlich eingestuft wird. Dies gilt aber auch für
viele Tansanier, die zumindest bis Dienstag/Mittwoch nicht zur Arbeit gehen und
danach schauen, wie sich die Lage entwickelt. Das Schwierige an der Situation
ist einfach, dass keiner sagen kann was passiert bzw. ob etwas passiert. Die
Wahl und die folgenden Tage können ganz friedlich verlaufen ohne irgendwelche
Zwischenfälle, es kann aber auch zu massiven Ausschreitungen kommen.
Der
Wahltag – was ich davon gesehen habe:
Da wir am
Samstagabend auf einer Einweihungsfeier von anderen Freiwilligen waren, mussten
wir am Sonntag zurück nach Ubungo fahren. Hierzu wurde uns geraten auf jeden
Fall morgens bzw. am frühen Mittag zurückzufahren, sodass wir auf jeden Fall zu
Hause sind, wenn die Wahllokale schließen. Die Heimfahrt ging ungewöhnlich
schnell. Auf den Straßen waren fast nur Daladalas und kaum Autos zu sehen. Auch
sämtliche Läden und Dukas (Straßenlädchen) waren abgebaut und auch so nur wenige
Menschen auf der Straße. Im Vorfeld wurde wohl auch noch einmal ein
Versammlungsverbot ausgesprochen. Im Vergleich zu sonst ist das schon sehr
ungewöhnlich komplett ohne Stau und Dauerhupen ans Ziel zu kommen. Auf dem Weg
sind wir auch an zwei Wahllokalen vorbeigefahren. Dort standen Frauen und
Männer jeweils in getrennten Schlangen (später habe ich aber auch Bilder von
gemischten Schlangen gesehen). Sofern ich es sehen konnte, ging es friedlich
und sehr geregelt zu. Man hat aber auch sehr viele Polizisten in der Stadt
gesehen, was sonst eher ungewöhnlich ist.
Ich habe
am Wahlmittag erst ein bisschen mit Careen und ein paar Nachbarskindern
gespielt und später einen gemütlichen Nachmittag auf der Dachterasse vom RED
House verbracht. Endlich konnte ich mal ein bisschen lesen, diesen Eintrag
beginnen und dazu einen leckeren Embejuici (Mangosaft) trinken ;). Abends war
ich noch bei Anna und dem Baby und habe mit Mtema und Careen das
Gute-Nacht-Lied „La le lu nur der Mann im Mond schaut zu….“ gelernt.
Nachts
hörte man laute Musik von der „großen Straße“ in Ubungo, dort gab es wohl eine
Feier von CHADEMA-Anhängern.
Der
Wahltag - was andere Quellen
berichteten:
Judith
Sargentini, die Leiterin der EU observers mission, sprach gestern von einer
weitgehend friedlichen Wahl, ähnlich der Jahre davor.
Weitere
Wahllokale sprachen ebenfalls von einem friedlichen Gang der Dinge, allerdings
mit weitaus höherer Wahlbeteiligung im Vergleich zu den früheren Jahren.
Mtema
(Gastvater) hat mir erzählt, dass die Wahllokale seit 7.00 Uhr morgens auf
hatten, aber dass in vielen Lokalen die Menschen schon seit 6.00 Uhr (oder noch
früher) gewartet haben. Außerdem wurden Frauen aufgerufen möglichst schon
morgens zu wählen, sodass sie schon wieder daheim sind, wenn die Wahllokale schließen
und es ggfs. zu Ausschreitungen kommt.
Yohana
(Lehrer des RED Houses) hat heute Morgen erzählt, dass die Wähler im District
Kimara (Dar es Salaam) heute erneut wählen müssen, weil gestern die Wahlzettel
nicht für alle gelangt haben. Eine andere Freiwillige hat auch erzählt, dass
sich wohl deswegen gestern schon eine Menschenmasse vor dem Wahllokal gebildet
hat und dabei fünf Menschen von der Polizei angeschossen wurden, da sie sich
weigerten den Platz zu verlassen. Lucas (ein tansanischer Freund) meinte
allerdings, das die Polizei „nur“ mit Gummigeschossen gegen die Leute
vorgegangen ist und nicht mit „richtigen“ Waffen auf Menschen schießt.
Weiter im
Inland kam es zu Überfällen auf Fahrzeuge, die Wahlmaterial transportierten.
Teilweise wurden dabei Wahlurnen mitsamt Inhalt verbrannt, die angeblich
falsche Wahlzettel enthalten haben.
1. Tag
nach der Wahl:
Also
bisher geht es uns allen gut :). Wir haben alle noch Strom und die Dukas hatten
heute Morgen auch offen (also die Dukas hier ums RED House).
Nichtsdestotrotz
sind unser Gastvater und unsere Gastschwester heute nicht zur Arbeit bzw. zur
Schule gegangen. Er meinte zwar, dass nichts passieren wird aber man muss sein
Leben ja deswegen nicht aufs Spiel setzen. Er will den heutigen Tag abwarten
und entscheidet dann, ob er morgen wieder zur Arbeit geht und Careen zur Schule
darf.
Bei
unserer Arbeit hat man auch deutlich gesehen, dass noch mehr Menschen ängstlich
bzw. unsicher sind. Normalerweise kommen morgens immer ca. 25-30 Kinder. Heute
waren es lediglich 15. Auch die anderen Freiwilligen, die heute gearbeitet
haben, sagten Ähnliches.
Paul hat
mit vielen Tansaniern Kontakt, die bei der Wahl geholfen haben. Er berichtete
heute Morgen, dass vor allem in Dar es Salaam die CHADEMA vorne liegt und in
vielen Wahldistricten die absolute Stimmenmehrheit hat. Trotzdem hat CHADEMA zu
Protesten aufgerufen, da es in einigen Wahllokalen zu Verzögerungen und
Unregelmäßigkeiten kam. Die Polizei setzt wohl auch vermehrt Tränengas ein um
Menschenmassen auseinander zu bringen, so z.Bsp. in Mwanza. Dort haben sich die
Menschen vor den Wahllokalen versammelt um auf die Wahlergebnisse zu warten.
In
Sansibar kam es heute zu Unruhen, nachdem eine Partei ihren einseitigen
Wahlsieg erklärt hat. Daraufhin kam auch eine Warnung des Auswärtigen Amtes.
Jetzt ist
es schon Abend und wir haben einen ruhigen Tag im RED House erlebt. Es war auch
mal angenehm weniger Kinder zu haben, die sogar gemacht haben was wir gesagt
haben :D. Ganz lustig war zu sehen, wie sich Yoana (Lehrer), Lucas (Freund) und
Annas Schwester….immer wieder gegenseitig gehänselt haben als die
unterschiedlichen Prognosen bekannt wurden, da alle für andere Parteien
gestimmt haben. Das war aber alles auf einer lustigen Ebene und nur Spaß
zwischen den Leuten :). Ungewöhnlich war, dass wirklich den ganzen Tag über das Radio lief (einen Fernseher haben wir nicht, zumindest keiner der funktioniert ;) ) und alle immer wieder gelauscht haben, was gesagt wird.
Mittlerweile
liegt die CCM vorne, allerdings wurden noch lange nicht alle Wahlzettel
ausgezählt und in Kimara wurde ja z. Bsp erst heute gewählt.
Wir sind
schon auf die nächsten Tage gespannt und werden sehen wie es weitergeht.
Vermutlich wird am Donnerstag das Ergebnis verkündet.
Bis bald
eure
Julie :)
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