Montag, 26. Oktober 2015

Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Tansania



Am 25.10.15 waren die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Tansania. Hierzu habe ich euch beim letzten Eintrag schon auf Pauls Blog aufmerksam gemacht, den ich auch jetzt noch einmal empfehle, sofern ihr gern mehr Infos haben möchtet.
Ich fasse hier die Parteien und Kandidaten nur kurz zusammen und berichte dann von meinen eigenen Beobachtungen und Erlebnissen.

Die Wahlen:

Tansania ist eine präsidiale Republik, d.h. die Macht geht vom Präsidenten aus, der auch die Regierung bildet. Am Sonntag wurde nicht nur das Parlament vom Volk gewählt, sondern auch der Präsident selbst.

Bei dieser Wahl spielten vor allem zwei Parteien eine große Rolle: Auf der einen Seite die CCM, die seit über 40 Jahren an der Macht ist und bisher immer die absolute Mehrheit hatte. Für die CCM ist John Magufuli, der frühere Arbeitsminister, als Präsidentschaftskandidat ins Rennen gegangen. Auf der anderen Seite steht die Chadema-Partei, die sich mit mehreren kleineren Parteien zum Oppositionsbündnis UKAWA zusammengeschlossen hat und nun gegen die CCM antritt. Für UKAWA trat der frühere Premierminister Tansanias, Edward Lowassa, zur Wahl an. Lowassa ist ein früheres Parteimitglied der CCM, ist aber aus dieser ausgetreten, nachdem er nicht zum Präsidentschaftskandidaten aufgestellt wurde. Natürlich gibt es noch mehr Parteien und Präsidentschaftskandidaten, auf die ich allerdings nicht eingehen werde.
Das ungewöhnliche und dadurch auch gefährliche an dieser Wahl ist, dass zum ersten Mal in der Geschichte Tansanias die CCM „vom Thron gestoßen werden kann“. Und dann weiß eben keiner was passiert, bzw. wie die CCM reagiert. Bleibt die CCM allerdings an der Macht wird ihr auf jeden Fall Wahlbetrug von Seiten der Chadema vorgeworfen und auch dann ist nicht abzusehen was passieren wird. Um dies entgegenzuwirken sind schon seit einigen Wochen viele Wahlbeobachter der ganzen Welt in Tansania. Es ist auf jeden Fall ein heikles Thema und keiner kann voraussagen, wie sich die jeweiligen Parteien und ihre Anhänger verhalten werden. Man spürt eine gewisse Unsicherheit in der Bevölkerung. Es ist auch unklar, wie lange es dauern wird, bis das Ergebnis verkündet wird.

Der Wahlkampf – wie ich ihn erlebt habe:
Schon Wochen vor der eigentlichen Wahl (und lange bevor ich angekommen bin) wurde Wahlkampf betrieben. In ganz Dar es Salaam hängen tausende von Wahlplakaten. An jedem Baum, an jeder Straßenlaterne oder ähnlichen Dingen wehen Fahnen der verschiedenen Parteien. Und da hängt dann nicht nur eine Fahne, sondern ganze „Fahnenketten“. Man kann sich das vielleicht ein bisschen wie an Fasching vorstellen, bzw. einfach tausende Girlanden mit Fahnen, welche die kompletten Straßen säumen. Zudem sind LKWs (mit offener Ladefläche) oder Autos, die jeweils komplett in der Parteifarbe geschmückt waren, mit Lautsprecher oder lauter Musik durch die Straßen gefahren. Teilweise wurden einfach kleine Reden vom Auto aus gehalten oder die Menschen auf der Ladefläche tanzten zur Musik. Mich hat das ein bisschen an einen Faschingsumzug erinnert, da alle Menschen in den jeweiligen Parteifarben „verkleidet“ waren und auf geschmückten LKWs mit lauter Musik durch die Straßen gezogen sind. Diese Karawanen haben auch immer wieder angehalten und dann einfach an Ort und Stelle eine Rede gehalten oder mit den Leuten an der Straße getanzt.
Die Präsidentschaftskandidaten sind in den Wochen vor der Wahl durch ganz Tansania gereist und haben vor riesigen Menschenmassen Reden gehalten. Diese wurden zumeist auch im Fernsehen oder im Radio übertragen. Gerade in der letzten Woche vor der Wahl gab es kaum einen Fernseh- bzw. Radiosender, der nicht eine Rede der Kandidaten übertragen hat.
Leider sind im Vorfeld der Wahl auch einige Politiker ums Leben gekommen. Bei vielen ist unklar ob es ein Unfall war oder sie absichtlich umgebracht wurden. Als wir am Freitagabend vor der Wahl in einer Bar waren, wurden von allen Opfern Bilder abgespielt. Hierzu wurde die Musik abgestellt und es wurde auch sehr ruhig.

Warnungen bzw. unsere Vorbereitungen:
Im Vorfeld gab es von unterschiedlichen Stellen immer wieder Warnungen und Hinweise, wie man sich am Wahltag und den folgenden Tagen verhalten soll. So warnt z. Bsp. das Auswärtige Amt von Auswirkungen auf den Flug-, Bahn- und Busverkehr. Weiterhin kann es sein, dass der Strom für die komplette nächste Woche ausgestellt wird und die Kommunikation per Handy ausfällt. Je nach dem können einige Straßen in Dar gesperrt werden und der Hafen war gestern geschlossen.
Uns wurde geraten einen Vorrat an Wasser für ca. eine Woche zu haben und einen kleinen Vorrat an Essen zu kaufen, sofern die Läden geschlossen haben (damit sie nicht ausgeraubt werden). Außerdem wurde jeder angehalten ab spätestens Sonntagmittag zu Hause zu sein und dort auch zu bleiben. Einige Freiwillige werden die nächsten Tage nicht arbeiten, da die Arbeitsstelle entweder geschlossen hat oder der Weg dorthin als zu gefährlich eingestuft wird. Dies gilt aber auch für viele Tansanier, die zumindest bis Dienstag/Mittwoch nicht zur Arbeit gehen und danach schauen, wie sich die Lage entwickelt. Das Schwierige an der Situation ist einfach, dass keiner sagen kann was passiert bzw. ob etwas passiert. Die Wahl und die folgenden Tage können ganz friedlich verlaufen ohne irgendwelche Zwischenfälle, es kann aber auch zu massiven Ausschreitungen kommen.

Der Wahltag – was ich davon gesehen habe:
Da wir am Samstagabend auf einer Einweihungsfeier von anderen Freiwilligen waren, mussten wir am Sonntag zurück nach Ubungo fahren. Hierzu wurde uns geraten auf jeden Fall morgens bzw. am frühen Mittag zurückzufahren, sodass wir auf jeden Fall zu Hause sind, wenn die Wahllokale schließen. Die Heimfahrt ging ungewöhnlich schnell. Auf den Straßen waren fast nur Daladalas und kaum Autos zu sehen. Auch sämtliche Läden und Dukas (Straßenlädchen) waren abgebaut und auch so nur wenige Menschen auf der Straße. Im Vorfeld wurde wohl auch noch einmal ein Versammlungsverbot ausgesprochen. Im Vergleich zu sonst ist das schon sehr ungewöhnlich komplett ohne Stau und Dauerhupen ans Ziel zu kommen. Auf dem Weg sind wir auch an zwei Wahllokalen vorbeigefahren. Dort standen Frauen und Männer jeweils in getrennten Schlangen (später habe ich aber auch Bilder von gemischten Schlangen gesehen). Sofern ich es sehen konnte, ging es friedlich und sehr geregelt zu. Man hat aber auch sehr viele Polizisten in der Stadt gesehen, was sonst eher ungewöhnlich ist.
Ich habe am Wahlmittag erst ein bisschen mit Careen und ein paar Nachbarskindern gespielt und später einen gemütlichen Nachmittag auf der Dachterasse vom RED House verbracht. Endlich konnte ich mal ein bisschen lesen, diesen Eintrag beginnen und dazu einen leckeren Embejuici (Mangosaft) trinken ;). Abends war ich noch bei Anna und dem Baby und habe mit Mtema und Careen das Gute-Nacht-Lied „La le lu nur der Mann im Mond schaut zu….“ gelernt.
Nachts hörte man laute Musik von der „großen Straße“ in Ubungo, dort gab es wohl eine Feier von CHADEMA-Anhängern.

Der Wahltag  - was andere Quellen berichteten:
Judith Sargentini, die Leiterin der EU observers mission, sprach gestern von einer weitgehend friedlichen Wahl, ähnlich der Jahre davor.
Weitere Wahllokale sprachen ebenfalls von einem friedlichen Gang der Dinge, allerdings mit weitaus höherer Wahlbeteiligung im Vergleich zu den früheren Jahren.
Mtema (Gastvater) hat mir erzählt, dass die Wahllokale seit 7.00 Uhr morgens auf hatten, aber dass in vielen Lokalen die Menschen schon seit 6.00 Uhr (oder noch früher) gewartet haben. Außerdem wurden Frauen aufgerufen möglichst schon morgens zu wählen, sodass sie schon wieder daheim sind, wenn die Wahllokale schließen und es ggfs. zu Ausschreitungen kommt.
Yohana (Lehrer des RED Houses) hat heute Morgen erzählt, dass die Wähler im District Kimara (Dar es Salaam) heute erneut wählen müssen, weil gestern die Wahlzettel nicht für alle gelangt haben. Eine andere Freiwillige hat auch erzählt, dass sich wohl deswegen gestern schon eine Menschenmasse vor dem Wahllokal gebildet hat und dabei fünf Menschen von der Polizei angeschossen wurden, da sie sich weigerten den Platz zu verlassen. Lucas (ein tansanischer Freund) meinte allerdings, das die Polizei „nur“ mit Gummigeschossen gegen die Leute vorgegangen ist und nicht mit „richtigen“ Waffen auf Menschen schießt.
Weiter im Inland kam es zu Überfällen auf Fahrzeuge, die Wahlmaterial transportierten. Teilweise wurden dabei Wahlurnen mitsamt Inhalt verbrannt, die angeblich falsche Wahlzettel enthalten haben.

1. Tag nach der Wahl:
Also bisher geht es uns allen gut :). Wir haben alle noch Strom und die Dukas hatten heute Morgen auch offen (also die Dukas hier ums RED House).
Nichtsdestotrotz sind unser Gastvater und unsere Gastschwester heute nicht zur Arbeit bzw. zur Schule gegangen. Er meinte zwar, dass nichts passieren wird aber man muss sein Leben ja deswegen nicht aufs Spiel setzen. Er will den heutigen Tag abwarten und entscheidet dann, ob er morgen wieder zur Arbeit geht und Careen zur Schule darf.
Bei unserer Arbeit hat man auch deutlich gesehen, dass noch mehr Menschen ängstlich bzw. unsicher sind. Normalerweise kommen morgens immer ca. 25-30 Kinder. Heute waren es lediglich 15. Auch die anderen Freiwilligen, die heute gearbeitet haben, sagten Ähnliches.
Paul hat mit vielen Tansaniern Kontakt, die bei der Wahl geholfen haben. Er berichtete heute Morgen, dass vor allem in Dar es Salaam die CHADEMA vorne liegt und in vielen Wahldistricten die absolute Stimmenmehrheit hat. Trotzdem hat CHADEMA zu Protesten aufgerufen, da es in einigen Wahllokalen zu Verzögerungen und Unregelmäßigkeiten kam. Die Polizei setzt wohl auch vermehrt Tränengas ein um Menschenmassen auseinander zu bringen, so z.Bsp. in Mwanza. Dort haben sich die Menschen vor den Wahllokalen versammelt um auf die Wahlergebnisse zu warten.
In Sansibar kam es heute zu Unruhen, nachdem eine Partei ihren einseitigen Wahlsieg erklärt hat. Daraufhin kam auch eine Warnung des Auswärtigen Amtes.

Jetzt ist es schon Abend und wir haben einen ruhigen Tag im RED House erlebt. Es war auch mal angenehm weniger Kinder zu haben, die sogar gemacht haben was wir gesagt haben :D. Ganz lustig war zu sehen, wie sich Yoana (Lehrer), Lucas (Freund) und Annas Schwester….immer wieder gegenseitig gehänselt haben als die unterschiedlichen Prognosen bekannt wurden, da alle für andere Parteien gestimmt haben. Das war aber alles auf einer lustigen Ebene und nur Spaß zwischen den Leuten :). Ungewöhnlich war, dass wirklich den ganzen Tag über das Radio lief (einen Fernseher haben wir nicht, zumindest keiner der funktioniert ;) ) und alle immer wieder gelauscht haben, was gesagt wird.
Mittlerweile liegt die CCM vorne, allerdings wurden noch lange nicht alle Wahlzettel ausgezählt und in Kimara wurde ja z. Bsp erst heute gewählt.

Wir sind schon auf die nächsten Tage gespannt und werden sehen wie es weitergeht. Vermutlich wird am Donnerstag das Ergebnis verkündet.

Bis bald
eure Julie :)

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