Freitag, 12. Februar 2016

Was hat Fasching eigentlich mit Afrika zu tun? :D


Was siehst du?

--> Menschen die Fasching oder Karneval feiern? Junge Leute die auf eine Verkleidungsparty gehen? Oder Menschen, die sich komisch anziehen? Menschen, die Alkohol trinken?

Stellt euch vor, ihr zeigt dieses Bild jemanden, der noch nie in Deutschland war und bisher nicht viel von Deutschland gehört hat. Stellt euch vor ihr zeigt ihm dieses Bild und erzählt ihm: „ Schau mal das ist Deutschland. Tausende laufen so durch die Straßen. Ist das nicht toll? Total verrückt, oder? “

Zu welcher Schlussfolgerung könnte dieser Jemand kommen?

-->  „Deutsche haben einen komischen Kleidungsstil und trinken gerne Alkohol“ oder „In Deutschland wohnen nur verrückte Menschen“ oder „Deutsche sind Alkoholiker“?

Was würde er wohl seinen Freunden erzählen?

--> „Die Deutschen spinnen alle. Die laufen total verrückt durch die Straßen und betrinken sich.“ oder „In Deutschland laufen Betrunkene auf der Straße herum und sind komisch angezogen“ oder „Die Deutschen sind echt cool, total lustig drauf und haben jede Menge Spaß“

Und was würden die Freunde ihren Freunden erzählen? Wieso kamen wir überhaupt zu dieser Schlussfolgerung?

Weil nur ein kleiner Teil der Geschichte gezeigt bzw. erzählt wurde. Aber haben wir gelogen? Haben wir etwa eine falsche Geschichte erzählt? Nein, die Geschichte, das Bild ist echt. Allerdings fehlt die Information, dass die Menschen Fasching, Karneval, Fasnet (…) feiern. Zudem hätte man erwähnen können, dass Fasching nur für eine bestimmte Zeit gefeiert wird und nicht das ganze Jahr über und das es sich hierbei nur um eine Verkleidung handelt und nicht um die Alltagskleidung. Aber wie hätte das jemand wissen können, der nur diese eine Geschichte erzählt bekommt?

Heute möchte ich über die Gefahr einer einzelnen Geschichte schreiben. Dieser Eintrag ist mir persönlich sehr wichtig und ich hoffe, dass ihr ihn bis zum Ende lest (oder vielleicht wenigstens die letzten Zeilen? :D) Es geht dieses Mal nicht um ein persönliches Erlebnis von mir, sondern vielmehr um Erlebnisse von uns allen. Jeder von uns ist jeden Tag aufs Neue mit „single stories“ (einzelne Geschichte) konfrontiert.

Eine „single story“, ist eine einseitige Geschichte, die nur einen Teil der gesamten Geschichte wiedergibt (vgl. Beispiel). Insbesondere bei uns fremden Sachen ist die Gefahr einer single story sehr hoch. Jeden Tag hören wir solche „single stories“ und wenn wir nicht aufpassen wird eine Geschichte schnell zu der einzigen Geschichte – oder wie siehst du das?

Nehmen wir als weiteres Beispiel die Berichterstattung über Afrika. Oftmals wird von hungernden Menschen, kranken Kindern und einer hohen Aidsrate berichtet. (Oder was kommt dir als erstes in den Sinn, wenn du „Afrika“ hörst?)  Diese Berichte sind ja nicht falsch, aber sie zeigen eben nur einen Teil von Afrika. Das Problem dabei ist, dass die Geschichte einseitig und damit unvollständig ist – eine single story, die sich in unseren Köpfen festsetzt und uns andere Geschichten über Afrika schnell vergessen lässt (Oder hast du an die Millionenstadt Nairobi oder an lernende Studenten auf dem Unicampus gedacht?)

Sollten wir nicht gerade heutzutage die Berichterstattung der Medien immer mehr hinterfragen?
„Flüchtling vergewaltigt junge Frau“. Wie schnell setzt sich in unseren Köpfen die Meinung „Alle Flüchtlinge sind böse“ fest? Wer von uns macht sich tatsächlich bewusst, dass NICHT ALLE Flüchtlinge schlecht sind? Dass NICHT ALLE Flüchtlinge Vergewaltiger sind?

Ich selbst stelle immer wieder fest, wenn ich erstmal eine single story im Kopf habe werde ich schnell blind für andere Informationen. Wie schnell geht es doch, dass ich diese Geschichte als die einzige Geschichte erachte und mir gar nicht erst die Mühe mache zu hinterfragen ob es noch andere Facetten gibt. Wie ist das bei euch?

Welche single stories habt ihr?
Nehmt ihr euch die Zeit zu hinterfragen?
Sind alle Nordafrikaner gewalttätig?
Sind alle Deutschen Alkoholiker?
Wieviel Macht hat ein Autor, ein Moderator, ein Reporter, der eine Geschichte erzählt?

In der letzten Januarwoche hatten wir VIA-Freiwilligen unser Zwischenseminar. In dieser Woche haben wir unsere bisherigen Erlebnisse und Erfahrungen reflektiert und hinterfragt. Themen wie Kolonialismus und Kritik von weltwärts erneut besprochen und diskutiert. Außerdem haben wir die Rede der nigerianischen Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie „The danger of a single story“ angeschaut. In ihrem Vortrag möchte sie Bewusstsein schaffen, wie schnell Vorurteile und Stereotypen durch eine einzelne Geschichte geschaffen werden. Sie nutzt dazu viele Beispiele aus ihrem eigenem Leben. Beispielsweise hat einer ihrer Professoren in den USA kritisiert, dass ihre Charaktere nicht „authentisch afrikanisch“ seien, da sie „ihm zu ähnlich“ seien, Autos fahren und nicht Hunger leiden. Oder sie beschreibt, wie überrascht sie über die Normalität des Lebens der Menschen in Mexico war und beschämt feststellte, wie sehr ihr Bild von der negativen Medienberichterstattung geprägt wurde, die vorwiegend über Kriminalität und illegalen Migranten berichtet hat. 

Die zwei folgenden Videos enthalten den Vortrag von Chimamanda Adichie (Englisch mit deutschen Untertiteln). Ich würde mich freuen, wenn ihr die 20 Minuten durchhaltet :D Der Vortrag ist wirklich hörenswert und geht uns alle Etwas an! 








Enden möchte ich heute mit einem Zitat aus o.g. Vortrag: 



„Das Problem von Stereotypen ist nicht, dass sie unwahr sind, sondern dass sie unvollständig sind. Durch sie wird eine Geschichte zu einer einzigen Geschichte.“

Mein Blog ist EINE Geschichte über Ubungo, über Dar es Salaam, über Tansania, über Afrika. Lass sie nicht zu deiner EINZIGEN Geschichte werden ;)