Was
siehst du?
--> Menschen die Fasching oder Karneval feiern? Junge Leute die auf eine
Verkleidungsparty gehen? Oder Menschen, die sich komisch anziehen? Menschen,
die Alkohol trinken?
Stellt
euch vor, ihr zeigt dieses Bild jemanden, der noch nie in Deutschland war und
bisher nicht viel von Deutschland gehört hat. Stellt euch vor ihr zeigt ihm
dieses Bild und erzählt ihm: „ Schau mal das ist Deutschland. Tausende laufen
so durch die Straßen. Ist das nicht toll? Total verrückt, oder? “
Zu welcher
Schlussfolgerung könnte dieser Jemand kommen?
-->
„Deutsche haben einen komischen Kleidungsstil und trinken gerne Alkohol“ oder
„In Deutschland wohnen nur verrückte Menschen“ oder „Deutsche sind
Alkoholiker“?
Was würde
er wohl seinen Freunden erzählen?
--> „Die
Deutschen spinnen alle. Die laufen total verrückt durch die Straßen und
betrinken sich.“ oder „In Deutschland laufen Betrunkene auf der Straße herum
und sind komisch angezogen“ oder „Die Deutschen sind echt cool, total lustig
drauf und haben jede Menge Spaß“
Und was
würden die Freunde ihren Freunden erzählen? Wieso kamen wir überhaupt zu dieser
Schlussfolgerung?
Weil nur
ein kleiner Teil der Geschichte gezeigt bzw. erzählt wurde. Aber haben wir
gelogen? Haben wir etwa eine falsche Geschichte erzählt? Nein, die Geschichte,
das Bild ist echt. Allerdings fehlt die Information, dass die Menschen Fasching,
Karneval, Fasnet (…) feiern. Zudem hätte man erwähnen können, dass Fasching nur
für eine bestimmte Zeit gefeiert wird und nicht das ganze Jahr über und das es
sich hierbei nur um eine Verkleidung handelt und nicht um die Alltagskleidung.
Aber wie hätte das jemand wissen können, der nur diese eine Geschichte erzählt
bekommt?
Heute möchte
ich über die Gefahr einer einzelnen Geschichte schreiben. Dieser Eintrag ist
mir persönlich sehr wichtig und ich hoffe, dass ihr ihn bis zum Ende lest (oder
vielleicht wenigstens die letzten Zeilen? :D) Es geht dieses Mal nicht um ein
persönliches Erlebnis von mir, sondern vielmehr um Erlebnisse von uns allen.
Jeder von uns ist jeden Tag aufs Neue mit „single stories“ (einzelne
Geschichte) konfrontiert.
Eine
„single story“, ist eine einseitige Geschichte, die nur einen Teil der gesamten
Geschichte wiedergibt (vgl. Beispiel). Insbesondere bei uns fremden Sachen ist
die Gefahr einer single story sehr hoch. Jeden Tag hören wir solche „single
stories“ und wenn wir nicht aufpassen wird eine Geschichte schnell zu der
einzigen Geschichte – oder wie siehst du das?
Nehmen
wir als weiteres Beispiel die Berichterstattung über Afrika. Oftmals wird von
hungernden Menschen, kranken Kindern und einer hohen Aidsrate berichtet. (Oder
was kommt dir als erstes in den Sinn, wenn du „Afrika“ hörst?) Diese Berichte sind ja nicht falsch, aber sie
zeigen eben nur einen Teil von Afrika. Das Problem dabei ist, dass die
Geschichte einseitig und damit unvollständig ist – eine single story, die sich
in unseren Köpfen festsetzt und uns andere Geschichten über Afrika schnell
vergessen lässt (Oder hast du an die Millionenstadt Nairobi oder an lernende
Studenten auf dem Unicampus gedacht?)
Sollten
wir nicht gerade heutzutage die Berichterstattung der Medien immer mehr
hinterfragen?
„Flüchtling
vergewaltigt junge Frau“. Wie schnell setzt sich in unseren Köpfen die Meinung
„Alle Flüchtlinge sind böse“ fest? Wer von uns macht sich tatsächlich bewusst,
dass NICHT ALLE Flüchtlinge schlecht sind? Dass NICHT ALLE Flüchtlinge
Vergewaltiger sind?
Ich
selbst stelle immer wieder fest, wenn ich erstmal eine single story im Kopf
habe werde ich schnell blind für andere Informationen. Wie schnell geht es
doch, dass ich diese Geschichte als die einzige Geschichte erachte und mir gar
nicht erst die Mühe mache zu hinterfragen ob es noch andere Facetten gibt. Wie
ist das bei euch?
Welche
single stories habt ihr?
Nehmt ihr
euch die Zeit zu hinterfragen?
Sind alle
Nordafrikaner gewalttätig?
Sind alle
Deutschen Alkoholiker?
Wieviel
Macht hat ein Autor, ein Moderator, ein Reporter, der eine Geschichte erzählt?
In der
letzten Januarwoche hatten wir VIA-Freiwilligen unser Zwischenseminar. In
dieser Woche haben wir unsere bisherigen Erlebnisse und Erfahrungen reflektiert
und hinterfragt. Themen wie Kolonialismus und Kritik von weltwärts erneut
besprochen und diskutiert. Außerdem haben wir die Rede der nigerianischen
Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie „The danger of a single story“
angeschaut. In ihrem Vortrag möchte sie Bewusstsein schaffen, wie schnell
Vorurteile und Stereotypen durch eine einzelne Geschichte geschaffen werden.
Sie nutzt dazu viele Beispiele aus ihrem eigenem Leben. Beispielsweise hat
einer ihrer Professoren in den USA kritisiert, dass ihre Charaktere nicht
„authentisch afrikanisch“ seien, da sie „ihm zu ähnlich“ seien, Autos fahren
und nicht Hunger leiden. Oder sie beschreibt, wie überrascht sie über die
Normalität des Lebens der Menschen in Mexico war und beschämt feststellte, wie
sehr ihr Bild von der negativen Medienberichterstattung geprägt wurde, die
vorwiegend über Kriminalität und illegalen Migranten berichtet hat.
Die zwei
folgenden Videos enthalten den Vortrag von Chimamanda Adichie (Englisch mit
deutschen Untertiteln). Ich würde mich freuen, wenn ihr die 20 Minuten
durchhaltet :D Der Vortrag ist wirklich hörenswert und geht uns alle Etwas an!
Enden
möchte ich heute mit einem Zitat aus o.g. Vortrag:
„Das
Problem von Stereotypen ist nicht, dass sie unwahr sind, sondern dass sie
unvollständig sind. Durch sie wird eine Geschichte zu einer einzigen
Geschichte.“
Mein
Blog ist EINE Geschichte über Ubungo, über Dar es Salaam, über Tansania, über
Afrika. Lass sie nicht zu deiner EINZIGEN Geschichte werden ;)
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