Donnerstag, 14. April 2016

Mein Zwischenbericht :)




Als weltwärts-Freiwillige gehört es zu unseren Pflichten alle drei Monate einen Bericht über unseren Aufenthalt zu schreiben. Die Berichte dienen nicht nur zur Rückmeldung an unsere Organisation und das BMZ, sondern auch zur eigenen Reflexion. Da ich vor kurzem Halbzeit hatte, war es also an der Zeit meinen Halbjahresbericht zu schreiben, den ich gerne mit euch teilen will. =)

Folgende Zeilen (,die nicht Teil des eigentlichen Berichtes sind) wollte ich eigentlich erst am Ende des Berichtes schreiben, da sie sich auf den Bericht beziehen und ggfs. Dinge vorwegnehmen. Allerdings weiß man ja nie wer wirklich bis zum Ende liest (:P) und ich finde es wichtig dass diese Zeilen gelesen werden, damit der Bericht nicht völlig falsch verstanden wird ;). Daher nun (auch) vorweg: 

Ich schmeiße hier viele Sachen in einen Topf, die man (vermutlich) besser getrennt sehen sollte. Allerdings habe ich den Text geschrieben, wie die Gedanken in den Sinn kamen, daher ist er an vielen Stellen unübersichtlich und unvollständig. Dennoch hoffe ich, dass der Ein oder Andere meinen Gedankengängen folgen kann. Vielleicht sogar selbst zum Nachdenken angeregt wurde.

Der Anfang des Textes ist sehr persönlich und bringt auch meine Unzufriedenheit und sicher auch meine Traurigkeit zum Ausdruck. Hier möchte ich nochmal kurz darauf hinweisen, dass ich traurig bin, dass ich unzufrieden bin und dass ich häufig an meine Familie und Freunde denke, ABER (!!!) das heißt nicht, dass es mir schlecht geht! Genau wie ich schlechte Tage in Deutschland hatte, habe ich die natürlich auch in Tansania. Der Unterschied liegt eher darin, was diese Traurigkeit auslöst. Das heißt aber nicht, dass ich jeden Tag im Zimmer sitze und mir die Augen aus dem Kopf heule ;) :D. Erst heute Morgen hat ein Kind bei uns angefangen alleine zu schreiben – einfach so von sich aus. Am Anfang hat es jedes Mal geweint, wenn‘s ans Schreiben ging, irgendwann weinte es nicht mehr aber wir mussten jeden Buchstaben zusammenschreiben. Und heute hat es von sich aus gesagt „Mimi tu, mimi tu. Naweza peke yangu, teacher“ (Nur ich, nur ich. Ich kann das alleine, Lehrerin). Und dabei hat es fröhlich gelacht, den Stift genommen und angefangen die Buchstaben nachzufahren. Ich stand sprachlos daneben und musste einfach anfangen zu lachen, weil es mich so gefreut hat. Ihr müsst euch also keine Sorgen um mich machen. Ich komm schon zurecht und falls nicht, hab ich jetzt dank meines Osterpaketes einen Vorrat an Schokolade :D

(und nun zum eigentlichen Bericht)

Mein Halbjahresbericht: Gedanken und Hoffnung

Versuch meine Gedanken niederzuschreiben:

„Jetzt sind schon sechs Monate meines Freiwilligendienstes rum – Halbzeit. Als ich gerade angefangen habe über diesen Bericht nachzudenken war das der erste Satz, der mir in den Sinn kam. Eigentlich lustig, da ich normalerweise eher denke „es sind erst vier Monate, erst fünf Monate, erst … rum“. Doch dieses Mal habe ich nicht „erst“, sondern „schon“ gedacht. Vielleicht merke ich, wie schnell die Zeit doch eigentlich vergeht und wie vergänglich doch Vieles ist. Wobei ich sagen muss, dass es mir in vielen Situationen (leider) anders geht. Ich denke sehr oft an Deutschland, meine Freunde und Familie. Wobei ich nicht sicher bin, ob ich dabei wirklich jemand oder etwas ganz Bestimmtes vermisse (außer vielleicht Schokolade und Chips :D), aber dennoch denke ich oft darüber nach wieder in Deutschland zu sein. Wenn ich mir dann die Frage stelle, ob ich lieber hier oder in Deutschland wäre, ist es aber jedes Mal die gleiche Antwort: Ich bin froh hier zu sein und könnte mir auch nicht vorstellen woanders zu sein. Warum also, kann ich nicht einfach die Zeit, die ich hier habe und jetzt erlebe genießen? Und es ist ja auch nicht so, dass ich hier ständig traurig oder unzufrieden wäre, aber trotzdem muss ich mir eingestehen, dass es öfters vorkommt, wie ich das im Vorfeld erwartet hätte.

Während ich in meinem ersten Bericht geschrieben habe, dass ich bereits das Gefühl habe angekommen zu sein und dieses Gefühl eigentlich auch schon nach zwei bis drei Wochen hatte, bin ich mir im Moment unsicher, ob ich hier überhaupt jemals wirklich ankommen werde bzw. kann. Ich fühle mich im RED House unheimlich wohl und könnte mir nicht vorstellen woanders zu wohnen. Jedes Mal wenn ich auf dem Hof sitze und um mich herumschaue kann ich nur denken, wie froh ich bin hier gelandet zu sein und wie gern ich hier bin, in dieser Gastfamilie, in diesem (meinem) Zimmer, auf diesem Hof mit der Küche und unseren Hühnern. Ich bin froh und in gewisser Weise auch zu Hause und dennoch würde ich sagen ich bin nicht angekommen. Vielleicht kann man sagen: Ich bin hier daheim, aber fühle mich doch nicht zu Hause.

Als ich mir Gedanken darüber gemacht habe, woran das liegen könnte, stellte ich fest, dass ich eigentlich keine tansanischen Freunde habe. (Allein das zu schreiben fällt mir unheimlich schwer.) Klar, ich verstehe mich mit meiner Gastfamilie, unserem Lehrer und auch einer Lehrerin der Matsapa School. Aber wirklich Freunde in meinem Alter habe ich keine. Ich kenne einige gleichaltrige Tansanier, da sie mit Vorfreiwilligen befreundet waren und daher automatisch auch uns kennen, aber so dass ich wirklich selbst, also von mir aus eine Freundschaft zu jemanden aufgebaut habe, ist nicht der Fall. Und je öfter ich darüber nachdachte, stellte ich auch fest, dass das mit der Hauptgrund ist, warum ich hier einfach (noch) nicht zu Hause bin. Das geht soweit, dass ich oft enttäuscht von mir bin, was mich natürlich traurig macht und so wiederrum an meine Freunde und Familie daheim denken lässt. Gerade in den letzten Wochen hat mich das sehr beschäftigt. Oft setze ich das „Nicht finden von Freunden“ mit „Versagen hier anzukommen“ gleich. Ich habe versagt, hier zu leben, mich zu integrieren – einfach meinen Platz zu finden. Aber kann man in diesem Fall wirklich von Versagen sprechen? Kann man versagen Freundschaften zu schließen? Kann man Freundschaften denn erzwingen? Und was bringen erzwungene Freundschaften letztendlich? Dabei sollte man auch im Hinterkopf behalten, dass ich ja doch erst sechs Monate hier bin…

Ich merke, wie wichtig mir meine Freunde sind und dass ich sie gern in meiner Nähe habe. Wenn ich mich zum Beispiel vor die Wahl stelle, hier in Tansania mit meinen Freunden oder in Deutschland mit meinen Freunden zu sein, wäre ich lieber hier, allerdings MIT meinen Freunden. Daher kam ich auch zu der Schlussfolgerung, dass meine Unzufriedenheit nicht daher kommen kann, in Tansania zu sein, sondern vielmehr daher kommt „allein zu sein“. Leute, die mir am Herzen liegen, fehlen bzw. sind zu weit entfernt.
Am Anfang des Jahres dachte ich Freunde finden kommt von ganz alleine. Ich wollte mir hier auch keinen Druck machen, sondern war zuversichtlich früher oder später Freunde zu finden. Da bin ich mir nicht mehr so sicher. Mir wird immer mehr bewusst, dass wir vielleicht alle Menschen sind und wir uns auch wünschen und sagen, dass wir alle gleich sind und in der Theorie vielleicht die gleichen Rechte haben, dass die Hautfarbe keine Rolle spielt. Aber dennoch muss ich feststellen, dass die Hautfarbe hier eben doch eine Rolle spielt. Ich bin weiß, ich habe mehr Geld als viele Tansanier (und das obwohl sie vielleicht schon viele Jahre gearbeitet haben, während ich gerade mal das Studium abgeschlossen habe), ich bin in einer privilegierten Welt aufgewachsen. Immer wieder stelle ich auch fest, dass es eine enorme Rolle spielt, dass ich eine (weiße) Frau bin. Oft habe ich das Gefühl nicht als Mensch, sondern als Objekt gesehen zu werden. Ich bin mir in vielen Situationen auch unsicher, inwiefern die Person gerade mit mir redet, weil sie an mir als Person interessiert ist oder es mehr als Status betrachtet mit einer weißen Person gesehen zu werden. Das macht mich traurig und ich merke, wie ich gegenüber fremden Menschen misstrauischer werde, da ich mir einrede, sie sehen mich ja doch nur als eine weiße Person, die Geld hat und nicht wirklich als Mensch. Das ich mit diesen Gedanken vielen Tansaniern Unrecht tue, weiß ich, aber löscht die Gedanken leider nicht aus und wirft einen ganz neuen Blick auf das Thema „Rassismus“.
Das alles macht es für mich schwer mich wirklich zu integrieren, Freunde zu finden …eben einfach anzukommen. Und dabei will ich mich integrieren, ich lerne die Sprache, habe mich an das tansanische Essen oder die tansanische Infrastruktur gewöhnt und viele weitere alltägliche Dinge sind mittlerweile (selbst-)verständlich. Aber dann kommt es zum Thema Freizeitbeschäftigung. Nehmen wir mal zwei „Extrembeispiele“ (hinsichtlich des Kostenfaktors): Urlaub oder in einem Restaurant essen gehen. Dinge, die ich unheimlich gerne mache und wofür ich gerne mein Geld ausgebe. Dinge, die ich mir leisten kann aber viele Tansanier nicht. Dinge, die die Unterschiede wieder hervorheben - deutlich machen. Viele dieser Dinge habe ich in den ersten Monaten nicht getan, eben weil ich mich anpassen wollte und mich in die Gesellschaft einfügen wollte. Aber ich habe es sehr vermisst. Als wir (ich und weitere Freiwillige) vor ein paar Wochen dann doch einmal in einem Restaurant essen waren, habe ich erst bemerkt wie sehr ich es vermisst habe. Wie wichtig mir diese Dinge tatsächlich sind und obwohl es mir an diesem Abend wirklich gut ging und ich es genossen habe einfach zusammen zu sitzen (wohl bemerkt direkt an Meer, mit Wellenrauschen im Hintergrund), zu quatschen und zu essen habe ich mich im selben Moment geschämt. Geschämt für meine Gedanken, für mein Verhalten und auch für meine Gefühle. „Hier kommt der Mzungu (der Weiße), der Geld hat um Essen zu gehen, aber hinterher mit dem Taxifahrer wegen ein paar Cent verhandelt und sich womöglich noch aufregt abgezogen zu werden.“ Ich schäme mich und bin schockiert von mir selbst.

Bei Gedanken wie diesen, kommt man früher oder später auf Gerechtigkeit bzw. die ungerechte Verteilung von Geld, von Waren, von Rohstoffen etc. Und letzten Endes ist das eigentlich nichts Neues, dass es Ungerechtigkeit gibt, war mir auch vor diesem Jahr klar. Aber ich habe es nie so persönlich gesehen bzw. erlebt. Natürlich gibt es auch in Deutschland keine komplett gerechte Verteilung von Geld oder Ähnlichem. Aber dennoch gibt es zum Beispiel eine gesetzliche Krankenkasse, es gibt Sozialleistungen…ein System das versucht diese Ungleichheiten auszugleichen bzw. versucht die Grundbedürfnisse eines Jeden zu erfüllen. Ich will damit nicht sagen, dass in Tansania oder Ländern des Globalen Südens alle Menschen arm sind und nicht ins Krankenhaus können oder verhungern. Auf keinen Fall! So wie es in Europa Menschen mit mehr oder weniger Geld gibt, so gibt es auch in Afrika Menschen mit mehr oder weniger Geld. Ich denke eher an die globale ungerechte Verteilung von Geld und Macht, die zum Beispiel durch ungerechte Handelsabkommen zwischen Ländern des globalen Nordens und des Südens und die damit einhergehende Ausbeutung zum Ausdruck kommt. Gibt es dafür auch einen fairen Ausgleich? Ein System, das die Ungleichheiten ausgleicht? Viele denken jetzt vielleicht „Na klar, Entwicklungshilfe oder Spenden oder …“ Aber wie ausgleichend sind diese Dinge denn wirklich? Von der Nachhaltigkeit will ich lieber gar nicht erst anfangen oder von dem Eigennutzen, der oftmals daraus gezogen wird bzw. die erneute Abhängigkeit, die oftmals entsteht. 

Fragen wie: „Was passiert mit unserem Elektroschrott? Wie kommt es, dass wir Schokolade für 80 Cent kaufen können? Woher kommen Kleider, die gerademal drei Euro kosten?“ kommen mir immer häufiger in den Kopf. Und letzten Endes wissen wir alle die Antwort auf solche Fragen. Es sollte uns klar sein, dass die Bereicherung des Einen nur zu Lasten eines Anderen passieren kann. Die eigentliche Frage ist doch, was tun wir gegen diese Ungerechtigkeit? Wie können wir unser Handeln ändern?  Wie können wir Mitmenschen darauf aufmerksam machen und versuchen Ausgleich zu schaffen? Was kann ich persönlich besser machen, um diese Ungerechtigkeit nicht weiterzuführen? …Fast immer ist doch die Konsequenz, dass ich – dass wir – auf Etwas verzichten müssten (bzw. mehr Geld investieren müssten, was wiederum zum Verzicht bei anderen Dingen führt). Und damit kommt man auch zur entscheidenden Frage: Bin ich bereit auf Etwas zu verzichten? Bin ich bereit mein Handeln zu ändern? Vermutlich sogar für meinen persönlichen Nachteil? Oder wenn man die Frage mal anders herum stellt: Was bin ich bereit für den Vorteil von Anderen zu geben? In Deutschland war es leicht bei solchen Dingen einfach die „Augen zu schließen“, nicht daran zu denken. Ausreden zu finden, doch das Shirt für 1, 50 Euro zu kaufen. Durch meinen Aufenthalt in Tansania werden diese Dinge plötzlich präsent, sie werden persönlich. Es fällt zunehmend schwerer „die Augen zu verschließen“. Plötzlich hat das Gewissen einen größeren Einfluss auf Entscheidungen, die bisher nicht einmal in Frage gestellt wurden.“

Diese Gedanken und viele mehr beschäftigen mich sehr stark und werden dies wohl auch noch eine Weile tun. 

…Gedanken, die hoffentlich mit nach Deutschland getragen werden.
…Gedanken, die hoffentlich zu Worten und Taten werden.
…Gedanken, die Hoffnung wachsen lassen.



Sonnenuntergang bei der Morogoro Road, auf dem Nachhauseweg vom Post Office.

Ich schmeiße hier viele Sachen in einen Topf, die man besser getrennt sehen sollte. Allerdings habe ich den Text geschrieben, wie die Gedanken in den Sinn kamen, daher ist er an vielen Stellen unübersichtlich und unvollständig. Dennoch hoffe ich, dass der Ein oder Andere meinen Gedankengängen folgen kann. Vielleicht sogar selbst zum Nachdenken angeregt wurde.

Der Anfang des Textes ist sehr persönlich und bringt auch meine Unzufriedenheit und sicher auch meine Traurigkeit zum Ausdruck. Hier möchte ich nochmal kurz darauf hinweisen, dass ich traurig bin, dass ich unzufrieden bin und dass ich häufig an meine Familie und Freunde denke, ABER (!!!) das heißt nicht, dass es mir schlecht geht! Genau wie ich schlechte Tage in Deutschland hatte, habe ich die natürlich auch in Tansania. Der Unterschied liegt eher darin, was diese Traurigkeit auslöst. Das heißt aber nicht, dass ich jeden Tag im Zimmer sitze und mir die Augen aus dem Kopf heule ;) :D. Erst heute Morgen hat ein Kind bei uns angefangen alleine zu schreiben – einfach so von sich aus. Am Anfang hat es jedes Mal geweint, wenns ans Schreiben ging, irgendwann weinte es nicht mehr aber wir mussten jeden Buchstaben zusammenschreiben. Und heute hat es von sich aus gesagt „Mimi tu, mimi tu. Naweza peke yangu, teacher“ (Nur ich, nur ich. Ich kann das alleine, Lehrerin). Und dabei hat es fröhlich gelacht, den Stift genommen und angefangen die Buchstaben nachzufahren. Ich stand einfach sprachlos daneben und musste einfach anfangen zu lachen, weil es mich so gefreut hat. Ihr müsst euch also keine Sorgen um mich machen. Ich komm schon zurecht und falls nicht, hab ich jetzt dank meines Osterpaketes einen Vorrat an Schokolade :D

Liebe Grüße
Julie :)

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